Das Hochhaus und seine Architektur
Das mit der Planung des Hochhauses beauftragte Architekturbüro Theiss & Jaksch bestand aus den Architekten Sigfried Theiss (Pressburg 1882 – Wien 1963) und Hans Jaksch (Hennersdorf 1879 – Wien 1970), welche 1907 eine Ateliergemeinschaft gründeten, die 57 Jahre lang bestand. Unter dem Namen Schwalm-Theiss & Bresich existiert das Architekturbüro noch heute und ist damit das älteste in Wien.
Die Bandbreite der von Theiss & Jaksch geplanten Gebäude reichte von evangelischen Kirchenbauten über Wohnhäuser der Gemeinde Wien bis zu Fabriksbauten und auch Inneneinrichtung wurde von Ihnen konzeptualisiert. Ende der 1920er Jahre wandten sie sich einer gemäßigten Moderne zu, als deren bedeutendstes Werk das Hochhaus in der Herrengasse gilt.
Als Antithese zu den Volkswohnhäusern des sozialistischen Wien gedacht, zeichnete sich das Hochhaus durch eine geschickte Übernahme einer moderaten „Bauhaus-Ästhetik“ aus. Es kann somit getrost als ein Bauwerk der „Neuen Wiener Sachlichkeit“ bezeichnet werden.
Sowohl der klar strukturierte Baukörper, der nur in den letzten Geschossen zurückgestaffelt wird, als auch der Verzicht auf jegliches Dekor und die schlichte, aber farblich abgesetzte Geschäftszone suggerieren eine weltläufige Modernität.
Dem entsprachen auch die Wohnungstypen, welche auf die sich verändernde gesellschaftliche Situation Bezug nahmen und für Junggesellen oder „die berufstätige Frau“ konzipiert waren. Das war insofern geradezu revolutionär, als bis dahin Junggesellen beiderlei Geschlechts in möblierten Zimmern zur Untermiete wohnen mussten, überwacht und versorgt von (nicht zuletzt wegen des Straftatbestandes der Kuppelei) strengen Vermietern. Ein direktes Durchgreifen der Architektur des Hauses auf die Wiener Gesellschaft zeigte sich daran, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der Wiener Prominenz – vor allem Künstler und Schauspieler – damals im Hochhaus einmietete.
Die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen und Konstruktionen manifestierte sich auch in der engen Zusammenarbeit des Architekturbüros mit Rudolf Saliger, einem der damals führenden Ingenieure auf dem Gebiet des Betonbaus.