Das Hochhaus in Planung
An der geplanten Baustelle des Hochhauses Herrengasse befand sich bis zu dessen Abriss 1913 ein Palais der Familie Liechtenstein, dessen angrenzende Reitschule 1872 in den berühmten Bösendorfer Konzertsaal umgebaut wurde (eine Plakette, angebracht an der Ecke des Hochhauses zur Fahnengasse, erinnert noch heute daran).
So kam es, dass die musikaffinen und den alten Stadtkern liebenden Wiener skeptisch bis traurig waren, als der Liechtensteinsche Besitz am 10. April 1913 an ein Konsortium, bestehend aus der Österreichischen Aktiengesellschaft für Bauunternehmungen und der Österreichischen Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe, verkauft und erste Pläne über die Errichtung eines modernen, luxuriösen Hotels öffentlich wurden.
Besonders schwer fiel den Wienern der Abschied vom erwähnten Bösendorfer Konzertsaal, welcher wegen seiner berühmten Akustik in den wenigen Jahrzehnten seines Bestehens zu einem der musikalischen Zentren Wiens wurde. Das letzte Konzert fand am 2. Mai 1913 statt und wurde von dem Schriftsteller Stefan Zweig in seinem Erinnerungswerk „Die Welt von Gestern“ ausführlich und wehmutsvoll beschrieben:
„Als die letzten Takte Beethovens verklangen, vom Rosé-Quartett herrlicher als jemals gespielt, verließ keiner seinen Platz. Wir lärmten und applaudierten, einige Frauen schluchzten vor Erregung, niemand wollte es wahrhaben, dass es ein Abschied war. Man verlöschte im Saal die Lichter, um uns zu verjagen. Keiner von den vier- oder fünfhundert der Fanatiker wich von seinem Platz.“
Zur Errichtung des ursprünglich geplanten Hotels sollte es jedoch nicht mehr kommen: das Projekt wurde wegen des Ausbruchs des ersten Weltkrieges im Sommer 1914 auf Eis gelegt und auch nach dessen Ende nicht wieder aufgenommen. Das Grundstück bildete fast zwei Jahrzehnte lang eine Baulücke in prominenter Innenstadtlage – bis zur Entstehung des ersten Wiener Hochhauses 1930/1932.