Das Hochhaus und seine Statik
Theoretisch hatte man schon seit Jahrhunderten die technischen Möglichkeiten, Hochhäuser zu errichten – die Kathedralen des Mittelalters bezeugen das eindrucksvoll. Hochhäuser für Wohnzwecke zu errichten war aber aus praktischen Gründen nicht gefragt: es wäre für die Bewohner sehr unbequem gewesen, viele Stockwerke zu Fuß zu bewältigen – so beschränkte man sich meistens auf höchstens 6 Geschosse. Aufzüge gab es zwar im Bergbau schon lange, sie galten aber als gefährlich. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie durch die Entwicklung von Sicherheitsfangvorrichtungen entscheiden verbessert und die Idee, Hochhäuser für Wohnungen zu errichten, wurde realistischer.
In Wien gab es nach dem ersten Weltkrieg zunächst Planungen für Hochhäuser in der Währinger Straße und in Wieden, die aber beide nicht zur Ausführung gelangten. So entstand das erste Wiener Hochhaus in der Herrengasse, wo ein brachliegendes Grundstück seit 1913 eine Baulücke bildete. Es blieb lange Zeit das einzige Hochhaus Wiens, denn erst mehr als 20 Jahre später wurden der Ringturm (1955) und das Hochhaus am Matzleinsdorfer Platz (1958) fertiggestellt.
Das Hochhaus in der Herrengasse wurde von den Architekten Siegfried Theiß und Hans Jaksch entworfen, die Bauausführung oblag de damals bekannten Firma „N. Rella und Neffe Bau AG“. Prof. Rudolf Saliger fungierte als Bauberater mit speziellem Augenmerk auf die Statik dieses neuartigen Hochbaus, von ihm stammt auch folgendes Zitat:
„Der Ingenieur darf nicht zum Rechenknecht seiner Gedanken werden. Er soll eine Künstlernatur sein, die den Stoff nach den Kräften und dem Zusammenwirken mit Baukünstlern gestaltet. Denn es gibt kein Ingenieurbauwerk, das nicht Anspruch auf künstlerische Gestaltung im hohen Sinn hätte.“
Das Gebäude besteht aus zwei Teilen – nur etwas mehr als ein Sechstel der Grundfläche bildet das eigentliche Hochhaus mit 15 Stockwerken und einer Gesamthöhe von ca. 52m. Der Andere Teil hat 6 bis 8 Geschoße und eine Höhe von ca. 26 bis 35m.